Um das mal gleich vorweg zu nehmen: Niemand. Diktator sein ist eine sehr einsame Sache. Deswegen hat Roman Pichler in seinem Modell des „Balanced Product Leaders“ auch eines der negativen Extreme mit diesem Begriff belegt. Denn, logisch: Jemand, der nicht auf die Expertise Anderer hört, geht ein hohes Risiko für sein Produkt ein. Mal abgesehen davon, dass ein Product Dictator keinen guten Draht zu seinem Team aufbauen kann und durch seine autoritäre Art eine ungünstige, fehler-begünstigende Atmosphäre im Team erzeugt, wird er auch versuchen, seinen Kunden seine Meinung vorzugeben. Funktioniert nicht gut.

Der Gegenpol zum Diktator: Der Makler

Das andere, auch unerfreuliche Extrem ist der Feature Broker. Nun haben wir, wenn wir an Makler aus der Immobilienbranche denken, selten ein positives Bild vor Augen. Sie reden uns einfach zu häufig nach dem Mund, obwohl wir gerne mal eine Experten-Meinung von ihnen hören würden. Dementsprechend kann auch ein Product Owner, der als Broker unterwegs ist, vor lauter Versuchen, es allen recht zu machen, seine eigene Produkt Vision nicht mehr hochhalten. Das gibt dem Team zu wenig Ausrichtung und dem Produkt ein zu wässriges Nutzenversprechen.

Fokus auf das gesunde Spektrum

Ziel sollte es also für eine erfolgreiche Product Ownerin sein, sich in dem gesunden Spektrum zwischen diesen beiden extremen Polen zu bewegen. Daher habe ich Romans Modell neulich in meinem Seminar „Kommunikation für Product Owner“ als Orientierung verwendet, wann die unterschiedlichen Kommunikationsinstrumente wirkungsvoll sind.

Erfolgreiche Product Owner*innen haben einen vollen Werkzeugkoffer

Wir waren uns sehr schnell einig (und das hatte ich gehofft!), wann ein*e Product Owner*in erfolgreich ist. Nämlich dann, wenn sie je nach Situation die gesamte Klaviatur zwischen den Extremen spielen kann und sie gewinnbringend für das Produkt einzusetzen weiß. Also durchaus hart in der Sache verhandeln kann, solange sie das Input verschiedener Stakeholder gehört hat. Sie aber auch feinfühlig die Bedarfe des Teams herausarbeiten kann, um sie dann standhaft dem Management gegenüber zu verteidigen. Oder eben dem Team kompromisslos eine klare Vision vermitteln kann, die aus ergebnisoffenen Workshops mit Kunden und Stakeholdern abgeleitet wurde, welche die PO selbst moderiert hat.

Wie bezeichne ich also die gesunde Bandbreite?

Während des Seminars sind wir allerdings aufgrund der Begrifflichkeiten ein paar mal an unerwartete Grenzen gestoßen. Tatsächlich fällt es einem PO, dessen Achilles Ferse es ist, dass er sich nicht genug durchsetzen kann, schwer, sich auf Instrumente einzulassen, die eher auf der „Diktator-Seite“ des Spektrums zu finden sind. Ähnlich wird eine PO, die im Thema „Vermitteln“ eine Fehlfarbe hat, sich ungern mit Methoden auseinandersetzen, die auf der „Makler-Seite“ einsortiert sind. Das wirkt dann zu sehr als Zeichen von Schwäche.

Balanced Product Leader verstehen sich als Diplomat*in und Kapitän*in

Daher sollten die gesunden Bereiche des Balanced Product Leader Spektrums positiv benannt werden, so dass es für POs attraktiver wird, sich mit diesen Bereichen zu befassen und so ihre Fertigkeiten ausgewogen weiterzuentwickeln. Ich schlage die Begriffe „Kapitän*in“ und „Diplomat*in“ vor. Meine Überlegungen sind dabei, dass Kapitäne zwar das letzte Wort an Bord haben, ihrem Team aber an vielen Stellen Verantwortung übergeben und sich auf ihre Leute verlassen. Diplomaten hingegen müssen ihre eigenen Interessen den Interessen ihrer „Kunden“ unterordnen, kommen nur mit Fingerspitzengefühl weiter, um Menschen an einen Tisch zu bringen, verfolgen aber standhaft ein übergeordnetes Ziel.

Product Owner, die sich als diplomatische Kapitäne sehen, werden die erfolgreichsten Produkte haben.

Bildquelle: Graphic Recording von @oliverkruth vom ScrumTisch Köln am 15.05.2019