Kaffeepäuschen für die Kreativität? Tee trinken zum Innovieren? Klar, und das am besten mit jemandem vom anderen Ende. Vom anderen Ende des Unternehmens, des Meinungsspektrums, der Welt oder des Universums, aus einer anderen Altersklasse, einer anderen Organisation. Hauptsache anders (das Ende ist nicht so wichtig). Denn so bekommen wir verschiedene Eindrücke, frische Perspektiven und fremde Fragestellungen als Impulse, um unser eigenes Denken zu hinterfragen und neue Ideen zu generieren. Dafür braucht’s natürlich Raum und Zeit in unserem Alltag. Dachte sich auch NESTA. Bei NESTA wurden 2013 die sogenannten Randomised Coffee Trials (RCTs) eingeführt. Alle teilnehmenden MitarbeiterInnen wurden wöchentlich mit einem Pausen-Partner zusammengelost und trafen sich dann auf ein halbstündiges Heißgetränk. Dabei gab es keinerlei Vorgabe zu den Gesprächsinhalten. Und diese Unterhaltungen verliefen dann auch entsprechend unterschiedlich. Mal gab’s eher private Themen, mal ging es nur um arbeitsnahe Dinge. Aber immer fanden die Pausen-Partner die Unterhaltungen inspirierend. Und diese Inspiration entstand vor allem aus der Zufälligkeit der Matches. Für NESTA ging es dabei darum, neue Systeme des Ideen-Fischens zu entwickeln1. Und wenn man für eine Vielzahl an diversen Fischen sorgen möchte, muss man natürlich auch in unterschiedlichen Gewässern fischen.

Allerdings gibt’s hier ein wichtiges Detail: bei NESTA wurde gefischt, und nicht geangelt! Es ging nicht darum, mit einer genauen Vorstellung der Ergebnisse in die RCT Gespräche reinzugehen und mit konkreten Ideen wieder rauszukommen. Es ging um einen freien, nicht kontrollierten, nicht definierten Austausch. Es ging um Vernetzung, und das mit dem Fokus auf die menschliche Ebene. Den Initiatoren war es wichtig, dass die Teilnehmenden selbstbestimmt die Art der Verbindung und die Tiefe der Verknüpfung mit dem Gegenüber steuern konnten. Dass der glückliche Zufall, serendipity, eine Chance bekommt.2 Und selbst wenn es keine messbaren produktiven Ergebnisse gegeben hätte, wären sie zufrieden gewesen, dass die Pausen-Partner einfach eine halbe Stunde eine echte Pause gehabt hatten. (Und wir alle wissen ja, wie wichtig echte Pausen sind, nicht wahr?)

In meinen Innovations-Workshops und Kreativitäts-Seminaren zu produktivem Denken erlebe ich immer wieder, wie wichtig der Zufall für eine gesunde Mischung und hohe Qualität an Ideen ist. Wenn diverse Techniken zur gezielten Ideen-Generierung angewendet wurden, den TeilnehmerInnen so langsam ein wenig der Saft ausgeht, ihnen aber noch die zündende Idee mit Potenzial zur „radikalen Innovation“ fehlt, dann ziehe ich die Methoden mit Zufallselementen aus meinem Kreativ-Zauber-Hut. Natürlich mache ich erst eine Pause, damit Alle wieder frische Energie zum kreativen Denken haben. Ist klar. Aber dann lasse ich den Zufall seine Magie entfalten.

Dann muss man allerdings auch zuhören, was der Zufall so zu erzählen hat. Und das fällt uns gar nicht so leicht. Wir sind es nämlich nicht mehr gewohnt, „vernünftig“ zuzuhören. Daniel H. Pink sagt “For many of us, the opposite of talking isn’t listening. It’s waiting. When others speak, we typically divide our attention between what they’re saying now and what we’re going to say next – and end up doing a mediocre job at both.3 Und bezüglich innovativer Ideen sehe ich das auch so. Da wir es in Gesprächen nicht mehr üben, wirklich zuzuhören und auf die Aussagen zwischen den Zeilen zu achten, sind wir es auch nicht mehr gewohnt, bei der Ideen-Generierung auf das Potenzial zu schauen, das in Roh-Ideen steckt.

In meinen Hochschullehrveranstaltungen habe ich zur Verdeutlichung eine Übung eingeführt. Die Studierenden erzählen gemeinsam eine Geschichte, Jede/r ergänzt einen Satz. Bedingung ist, dass jeder neue Satz mit dem letzten Buchstaben des vorherigen Satzes beginnen muss. Die Studierenden sind oft überrascht, wie schwer es ihnen fällt, zum einen den Vorrednern sorgfältig zuzuhören und dann zum anderen spontan einen sinnvollen Satz zu ergänzen. Denn: ganz zu ende hinhören und erst dann überlegen, was wir selbst sagen wollen, machen wir im Alltag eher selten.

Wenn Sie also im Ideen-Fischen erfolgreicher werden wollen, lohnt es sich, dem glücklichen Zufall eine Chance zu geben. Stärken Sie den Faktor Zufall, indem Sie Ihr Netzwerk in verschiedene und diverse Richtungen ausbauen. Und schalten Sie Ihre Antennen auf Empfang, um sicherzustellen, dass Sie die gute Anregung, die spannende Idee, die inspirierende Perspektive auch wahrnehmen, wenn sie an Ihnen vorbeischwimmt. Blubb.


  1. frei nach der Redewendung: Gib einem Mann einen Fisch, und er ist satt für den Tag. Lehre ihn zu fischen, und er wird sein Leben lang satt.
  2. Tatsächlich hat einer der Autoren sogar eine nette kleine Methode entwickelt, um mehr glückliche Zufälle in sein Leben zu holen http://www.nesta.org.uk/blog/serendipity-style-life
  3. „Für viele von uns ist das Gegenteil von Reden nicht zuhören. Es ist warten. Während andere sprechen, teilen wir unsere Aufmerksamkeit typischerweise zwischen dem was sie sagen und dem was wir als nächstes sagen werden – und das führt dazu, dass wir beides nur mittelmäßig gut machen.“ Zitat aus Daniel Pinks Buch „To Sell is Human“. In seinem Four-Word-MBA formuliert er es sogar noch prägnanter: „Talk less. Listen more.“  http://www.danpink.com/2010/10/the-four-word-mba/