Kreativität ist die Fähigkeit, Beschränkungen zu modifizieren.
Dieses Zitat kann man noch weitreichender interpretieren. Man kann es als Einladung auffassen, Beschränkungen geschickt für sich arbeiten zu lassen – sie als „Bande“ zu interpretieren, mit welcher der Billiard-Profi einen brillianten Stoß erzielt. Und man kann sich selber als die gute Fee sehen, die den bösen Fluch zwar nicht rückgängig machen kann, aber dennoch in einen Segen abwandeln kann. Nicht umsonst macht Not erfinderisch – oder wie Alfred Selacher es so schön formuliert: „Erfinder sind Überwinder“*. Grenz-Überwinder. Und manche mögen es, sich an Beschränkungen vorbei zu schmuggeln. Und auch wenn wir im Alltag alle beschwören, dass wir Gesetzes- und Grenztreue toll finden, wenn wir auf dem Schwarzmarkt eine Idee Zucker oder Kaffee bekommen, finden wir es auch nicht so übel. Vielleicht sollten wir lieber die Grenzen hinterfragen, um den Preis für die kreative Ware nicht so unnötig in die Höhe zu treiben?

 

* Erfinder sind Überwinder.© Alfred Selacher (*1945), Schweizer Lebenskünstler, gefunden auf www.aphorismen.de

Kreativität ist die Fähigkeit, selbstauferlegte Beschränkungen zu überwinden.
Meine Lieblingsdefinition von Kreativität – fangen wir doch da an. Ackoff & Vergara schreiben ”Creativity is the ability to modify self-imposed constraints.”* Das fasst es für mich prima zusammen, denn es besagt, dass kreatives Denken vor allem damit zusammen hängt, anerzogene, von außen auferlegte Grenzen zu durchbrechen oder zu verbiegen. Und dass es eine Fähigkeit ist, dies zu tun. Warum ich das so wichtig finde? Nun, denn Fähigkeiten kann man erlernen. Im Gegensatz zu Talent oder dem sozialen, intellektuellen und ökonomischen Milieu oder dem Kuss der Muse hat man den Grad seiner Fähigkeiten selbst in der Hand – auch wenn die oben genannten Faktoren natürlich dazu beitragen, in wie weit man den Freiraum hatte, an seinen Fähigkeiten zu arbeiten. Daher haben manche Menschen schon mehr Gelegenheiten gehabt, ihre Fähigkeiten zu trainieren. Und sie haben vielleicht gewisse Techniken entwickelt, bewusst die besagten Beschränkungen zu umgehen. Von diesen Techniken können wir Normalsterbliche profitieren. Und von dem Wissen, dass die Grenzen uns nur soweit eingrenzen, wie wir es zulassen, auch.

* Ackoff, R. & Vergara, E. (1988). Creativity in problem solving and planning. In R. L. Kuhn (ed.), Handbook for creative and innovative managers (pp. 77- 89). New York: McGraw-Hill.
”Creativity is the ability to modify self-imposed constraints.”

Gute Ideen schwimmen oben
Potenzial entfalten

Wenn aus Maiskörnern Popcorn wird, entfaltet sich also Potenzial. Meist auf etwas nicht vorhersagbare Weise. Im Rückblick ist es immer ganz einfach, zu sagen, warum die eine Idee tatsächlich erfolgreich war, und die andere nicht. Schwieriger wird es natürlich, dies im Vorfeld zu erkennen. Und wir können nicht alle Ideen umsetzen. Dann würde keine Idee erfolgreich sein, weil die Ressourcen, die wir haben, nach dem Gießkannenprinzip auf alle Ideen verteilt würden. Damit würden die guten Ideen zu wenig unserer Mittel, unserer Energie abbekommen, und die weniger geeigneten* Ideen würden nicht nur unsere Zeit und Kraft in Anspruch nehmen, sie könnten sogar schädlich für das Vorankommen sein.

 

Erfolgswahrscheinlichkeit erhöhen

Wir müssen uns allerdings auch ganz klar davon lösen, präzise Vorhersagen über den Erfolg von Ideen machen zu wollen. Wir können die Wahrscheinlichkeit erhöhen, mit der Ideen gelingen. Und wir können versuchen so früh wie möglich zu erkennen, wenn Ideen nicht abheben werden. Dann sollten wir unsere Ressourcen neu ausrichten, um andere Optionen zu verfolgen, die uns vielversprechender erscheinen.

 

Nicht voreilig aufgeben

Die Schwierigkeit dabei ist natürlich, dass wir auch nicht zu schnell aufgeben sollten. Also nicht bei der ersten Herausforderung die Flinte ins Korn werfen. Wir benötigen also ein klares Bild von unserem „großen Ziel“, der Vision, die wir verfolgen. Und ein eindeutiges Raster, nach welchen Werten und Kriterien wir unsere Idee und deren Umsetzung als Erfolg betrachten. Dieses Raster hilft uns auch schon bei der Auswahl der potenziell stärksten Ideen.

 

höchstes Potenzial in einem Feld

Die klassische 2×2 Matrix hat sich hier bewährt, um ein erstes Screening der Ideen vorzunehmen. Es werden zwei Bewertungskriterien an den Achsen aufgetragen und anschließend die Ideen grob einsortiert. Auf dieser Basis kann dann im Team diskutiert werden, wie die genaue Priorisierung aussieht. Wichtig ist hierbei, dass das „Ideal-Feld“ oben rechts angeordnet ist. Gegebenenfalls muss man die Achsenbeschriftung entsprechend anpassen. In meinen Workshops werden häufig die Kriterien „originell“ oder „kreativ“ auf der x- Achse, und „Umsetzbarkeit“ auf der y-Achse verwendet. Naheliegend ist es, auf der y-Achse „Aufwand“ einzutragen (siehe COCD Box in „Creativity Today“ – eine tolle Beschreibung der Methode und sehr praxistaugliche Ergänzung durch das matrixFarbschema). Dann ist das Feld rechts oben jedoch nicht dasjenige, in welchem die vielversprechendsten Ideen angesiedelt sind. Und wir sind durch Kultur (Erfolg = oben), Erfolgskurven in der Wirtschaft und nicht zuletzt durch Powerpoint-Schlachten von Beratern total darauf gepolt, oben rechts nach den „Gewinnern“ zu suchen. Das sollten wir uns auch für Ideenworkshops zunutze machen.

Wenn wir also die Wahrscheinlichkeit erhöhen wollen, dass unter den ausgewählten Ideen, die „in die Umsetzung dürfen“, tatsächlich die Erfolgskracher dabei sind, sollten wir sollten wir früh in die ehrliche Bewertung von Rohideen einsteigen. Natürlich immer konstruktiv und in einer expliziten Bewertungsphase. Dafür ist die abgewandelte COCD – Matrix mit anschließender Diskussion bestens geeignet.

 

*für diesen Kontext – denn in anderen Zusammenhängen könnten diese Ideen der Knaller sein!

So poppt das Korn
Einmal gepopptes Popcorn kann man nicht wieder in das Maiskorn zurückstopfen. (Vermute ich, denn ich habe es tatsächlich noch nicht probiert. ;-) Vielleicht ginge es mit dem geeigneten Werkzeug?) Ähnlich verhält es sich mit Ideen: wenn man einmal eine Idee hatte, kann man sie nicht mehr rückgängig machen. Man kann sie kaputt machen. Man kann sie ignorieren. Man kann sie sogar vergessen. Aber man kann sie nicht ungeschehen machen. Man kann die Neuronen-Verknüpfung, die im Gehirn entstanden ist, nicht wieder auflösen. Und Konsequenzen aus diesem neuen Knotenpunkt im gedanklichen Netzwerk kann man nicht wieder löschen. Also, selbst wenn die Idee als solche keine offensichtlichen Früchte trägt, so prägt sie doch weitere Gedanken und Ideen, die in unserem Kopf entstehen.

Die Metapher des Popcorns besagt auch noch etwas anderes im kreativen Kontext: so ein unscheinbares, getrocknetes Maiskorn birgt jede Menge ungeahnten Potenzials. Das kann man nicht nur auf unscheinbare Rohideen beziehen, die sich erst noch entfalten müssen. Unter den richtigen Umweltbedingungen können solche Maiskörner auch ungeheure Kräfte entwickeln und explosionsartig ganz neue und eigenwillige Formen annehmen. Diese sind nicht vorhersagbar und schon gar nicht manipulierbar.

So verhält es sich auch mit Ideen auf dem Weg zur Innovation. Und dennoch wollen viele Manager Ideen in ein Standardformat pressen. Natürlich kann man gewisse Parameter beeinflussen. Und man kann auch davon ausgehen, dass von 100 Maiskörnern vielleicht 95 tatsächlich poppen und in Summe ein bestimmtes Volumen einnehmen etc. Aber man kann bezüglich eines einzelnen Maiskorns keine präzisen Prognosen treffen. Dennoch wird das in der Wirtschaft immer wieder versucht…