Kennen Sie noch das Lied „Video Killed the Radio Star“? Unser Gehirn funktioniert da anscheinend ähnlich wie die Musikbranche: was sichtbar ist, wirkt glaubwürdiger. Es macht allerdings nicht kreativer. Im Gegenteil. Aber lassen Sie uns ganz am Anfang beginnen.

Lieber inspirierende Denkfreiheit schaffen, als zu Effizienz anzutreiben

Die Unternehmenssicht auf Ideen und Mitarbeiter beeinflusst maßgeblich, wie Innovationen im Unternehmen entstehen. Eine großzügige Sichtweise, die auf das Engagement und die produktive Kreativität von Mitarbeitern vertraut, öffnet viele Möglichkeiten, ein Unternehmen innovationsfähiger zu machen. Dieses Paradigma der Denkfreiheit bietet viele Impulse, eine starke Innovationskultur im Unternehmen zu schaffen. Ein paar Anregungen gibt es am Ende des Artikels im Abschnitt „Also, was tun?“. Die ausführlichere Beschreibung erklärt, warum das Paradigma des Freiraums vielen Unternehmen guttun würde.

Warum der Effizienz-Antreiber so weit verbreitet ist

Was vielen erfolgreichen Führungskräften unserer postindustriellen Wissensgesellschaft sehr schwer fällt, ist ihre gelernten Mechanismen für Zielerreichung abzulegen. Ist ja auch schwierig, denn sie sind immer noch damit „groß geworden“, dass sie mehr vom Gleichen tun müssen, um bessere Ergebnisse zu erzielen. Das funktioniert dort gut, wo das Ergebnis auch mehr vom Gleichen sein soll, wie in der Produktion. In manchen Punkten mag das sogar noch für das Erbringen von Dienstleistungen funktionieren, zumindest in den wenigen Fällen, in denen diese einigermaßen standardisiert sind. Die Korrelation von Effizienz und Erfolg ist für diese Standard-Dienstleistungen (z.B. im Logistik- oder Banken-Sektor) vergleichbar hoch wie für einen Produktionsprozess. Lediglich die Qualitätsanforderungen sind gestiegen, da Qualität jetzt als Verkaufsargument stärker in den Vordergrund gerückt ist.

Aber spätestens bei personenbezogenen Dienstleistungen oder in besonderen Fällen der Standard-Dienstleistungen und erst recht bei der Konzeption von Dienstleistungen ist dieser Ansatz überholt. Wir können von MitarbeiterInnen nicht verlangen, dass sie ihre „Produktion“ von Service am Kunden, die Durchführung der Maßnahmen im Akkord erbringen. Spätestens bei einem Call Center Mitarbeiter, der nach Anzahl der Gespräche pro Stunde bewertet wird, fällt auf, dass sich die Arbeitsqualität dieser Mitarbeiter so nicht vernünftig messen lässt. Also, zumindest mir als Kundin fällt das auf – den Managern dieser Telefonista anscheinend weniger.

Die Weiterentwicklung der Wissens-Gesellschaft: Die Kreativitäts-Ära

Es gibt also gute Gründe anzunehmen, dass wir uns in einer besonderen Ausprägung der Wissens-Ära bewegen, nämlich der Kreativitäts-Ära, in der noch einmal speziellere „Regeln“ gelten. Und in diesem Zeitalter der kreativen Gesellschaft (siehe „Era of Creativity“) müssen Führungskräfte komplett umdenken. Häufig ist „mehr vom Gleichen tun“ als Maßstab sogar kontraproduktiv. Man kann die MitarbeiterInnen nicht mehr so gut an ihren Zahlen messen bzw. man müsste sich ganz neue Zahlen ausdenken. Und dann soll man ihnen auch noch vertrauen und ihnen Spielraum (und das meine ich ganz wörtlich) geben. Das beinhaltet auch, dass manche Mitarbeiter und Führungskräfte Verantwortung und Kompetenzen und damit Macht und Kontrolle abgeben müssen.

In der Software Entwicklung hat die Bewegung des agile software development genau dies für die Projektarbeit erreicht. Die Verantwortung für das Ergebnis wurde in die Teams hineingegeben, gekoppelt an Freiraum für den Weg dorthin. Dies hat spannenderweise zu verbesserter Effektivität und Effizienz geführt, einfach weil die beteiligten Köpfe situativ über Dinge entscheiden durften, in denen sie sich sowieso besser auskannten. Wenn sie mit einem Problem konfrontiert waren, hatten sie die nötigen Kompetenzen, es auch kreativ zu lösen. Und diese Verantwortung spornt an.

Aber das setzt voraus, dass die alten Erfolgsrezepte durch neue Spielregeln ersetzt werden. So ein Paradigmen-Wechsel fällt schwer. Und ist dennoch wirklich, wirklich wichtig.

Raum geben zur Entfaltung fördert die intrinsische Motivation

Warum ist dieses Umdenken so wichtig? Warum ist ein Innovations-Paradigma, das darauf abzielt Freiraum zu schaffen, so viel innovations-förderlicher als ein Paradigma, das auf Effizienz fokussiert? Die Antwort ist eigentlich nicht neu: Freiraum geben ist förderlich für die intrinsische Motivation. Wenn ein Mensch Verantwortung für ein Ergebnis übernehmen darf und soll, dann kann dies nur funktionieren, wenn er selbst entscheiden kann, wie er zu diesem Ergebnis kommen will. Er benötigt Prozessverantwortung oder besser Prozessfreiraum, um Ergebnisverantwortung zu übernehmen. Wenn er selbst entscheiden kann, welches sein nächster Schritt ist, wird er aus sich selbst heraus weitergehen. Und diese intrinsische Motivation beflügelt konstruktives Denken und Kreativität. Dies hat mehrere Gründe.

  1. Wir stecken mehr Energie in Dinge, die uns Spaß machen
  2. Wir sind kreativer, wenn wir mehr Inspirationsquellen
  3. Wir bewegen uns eher außerhalb vorhandener Strukturen, wenn wir spielerisch explorieren dürfen.

1.    Intrinsische Motivation setzt Potenziale frei

Wenn uns etwas Spaß1 macht, stecken wir viel mehr Energie hinein, als wenn wir uns gegen etwas sträuben. Dann geht die Energie nämlich für die (innere) Abwehr drauf. Also: je mehr Spaß wir an etwas haben, desto mehr Energie stecken wir hinein. Und mehr noch: Durch Arbeit an Themen, die uns Spaß machen, fühlen wir uns auch selbst voller Energie. Für jede Energie-Einheit, die wir investieren, haben wir quasi einen positiven ROE – Return On Energy. Was für eine fantastische Energie-Bilanz! Davon würden sich unsere Stromanbieter wahrscheinlich gerne eine Scheibe abschneiden…

In Ideenworkshops und Produktentwicklungsworkshops wird dies heutzutage schon berücksichtigt, Leider ist diese Formel aber in vielen Unternehmen und dort vor allem im Arbeitsalltag noch nicht angekommen. Dabei ist sie selbst mit altbackenen Motivationstheorien vereinbar, nach denen der Mensch, ganz hedonistisch, nur nach seinem Vergnügen strebt. Etwas neuer ist an dieser „Erkenntnis“, dass Menschen auch aus Anstrengung durchaus Vergnügen ziehen können. Dass Menschen nicht nur dann Mühe investieren, wenn sie mit der Peitsche dazu angetrieben werden, sondern auch dann, wenn sie damit ein inneres Bedürfnis erfüllen können. Sich frei in einem Thema bewegen können, weil sie eben intrinsisch motiviert sind. (zurück zu „dies hat drei Gründe“)

Schon in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts (und, ja, das ist nun 40 Jahre her!) forschte Teresa Amabile zu den Effekten von extrinsischer Motivatoren auf intrinsische Motivation. Vielen ist bekannt, dass ein äußerer Anreiz den inneren Antrieb in einer Sache untergraben kann. So kann man Menschen ihre Freude am Lernen nehmen, indem man ihnen für den Wissenserwerb eine Belohnung verspricht. Aber es reicht schon, wenn man Menschen eine Bewertung in Aussicht stellt, um ihre intrinsische Motivation zu zerstören. Wenn der Freiraum des Handelns beschnitten wird, indem implizite externe Kriterien vorgegeben sind, unterminiert das den inneren Antrieb. Und dies sogar, wenn es sich um eine positive, konstruktive Bewertung handelt!

2.    Verknüpfungen führen zu Ideen

Wenn man dies konsequent weiterverfolgt (wie es unter anderem Teresa Amabile getan hat), stößt man auf den verheerenden Einfluss, den Bewertung und Belohnung auf Kreativität haben. Intrinsische Motivation ist kreativitätsförderlich. Wenn man aus einem inneren Antrieb heraus konstruktiv denkt, fällt es einem leichter, sich auf unvoreingenommene Weise mit dem Thema zu beschäftigen. Man fokussiert auf die Problemstellung, ist mit allen Sinnen dabei, lässt Input aus verschiedenen Hirnarealen zu. So kommen emotionale Daten genauso zum Tragen wie kognitive Informationen. Erfahrungswerte werden ebenso bedacht, wie rationale und logische Schlussfolgerungen zugelassen werden. Themenübergreifende Analogien und fachübergreifende Transferleistungen werden ermöglicht, weil Schubladendenken reduziert wird. Kurzum, das gesamte Potenzial unseres Gehirns wird angezapft. Die resultierende Leistung wird erheblich kreativer ausfallen. Wir sind einfach kreativer, wenn wir mehr Quellen für unsere Ideen verknüpfen. Wie weit unser Blick ist, hängt u.a. davon ab, wie entspannt wir sind. Selbst, wenn wir alleine arbeiten. Wenn wir Bewertung erwarten, stresst uns dies und spannt uns an. Für Effizienssteigerung kann das in entsprechenden Situationen helfen, für das konstruktive Denken ist es schlecht. Hingegen haben wir ohne Tunnelblick, den wir wegen eines externen Kriteriums bekommen, sozusagen eine Weitwinkellinse. Das erweitert unsere Möglichkeiten. Es werden nicht nur mehr Ideen produziert, sie sind auch qualitativ höherwertig, ungewöhnlicher und nutzbringender. (zurück zu „dies hat drei Gründe“)

Extrinsische Motivation hemmt konstruktives Denken

Wenn wir aber ständig auf die Kriterien schielen, nach denen wir bemessen werden, über die Beschränkungen nachdenken, denen wir unterliegen, dann konzentrieren wir uns auf das zu erreichende Ergebnis. Wir fangen zu früh an, zu bewerten. Schließen „Sprungbrett-Ideen“2 aus, bevor sie ihre Wirkung entfalten können. Unsere Motivation schwenkt von intrinsisch auf extrinsisch um. Dies müssen wir noch nicht einmal bemerken. Aber es lässt sich an den Resultaten messen: diese fallen deutlich konservativer aus und bewegen sich stärker im Mainstream.

Bewertung zurückstellen fördert Ideen

Daher trenne ich in meinen Innovationsworkshops immer ganz klar zwischen der Ideationsphase und der Bewertungsphase. Während der Erkundung von möglichen Ideen muss ein geschützter Raum den TeilnehmerInnen Sicherheit gewähren, dass sie nicht bewertet werden.

Wenn es darum geht, im Business Development neue Geschäftsfelder auszuloten, weiß man im Vorfeld noch nicht, wohin die Reise geht. Natürlich muss man zu einem späteren Zeitpunkt im Prozess zur Entwicklung von Produktideen diese auch bewerten und priorisieren. Aber nicht umsonst zielen viele Kreativitätsmethoden darauf ab, eine breite Masse an Ideen zu entwickeln. Es geht darum Filter und Beschränkungen aufzuheben, damit neue Ideen generiert werden können. Unternehmen mit einer stabilen Innovationskultur wissen das, und definieren sehr genau, wann im Prozess wie bewertet wird. Intrapreneure, also Mitarbeiter mit der Fähigkeit und der Motivation zum unternehmerischen Denken, schätzen den Freiraum, erst einmal wild denken zu dürfen, bevor irgendwelche Maßstäbe angelegt werden. Spannenderweise ist die Qualität der Ideen, die in solchen Freiräumen entsteht, unterm Strich höher, als die von Ideen, die früh Qualitätskriterien bewertet und ausgesiebt wurden.

Fokus auf das Thema stärkt die Zusammenarbeit

In Gruppen verbessert intrinsische Motivation die Kollaboration. Dies geschieht zum einen, weil der Fokus der Individuen auf dem Thema liegt, das die Gruppe lösen möchte – und dazu nutzt sie alle Quellen, die sie zur Verfügung hat. Der Weitwinkelblick führt dazu, verschiedene Sichtweisen und Ideen zu berücksichtigen.  Zum anderen kommt kein Wettbewerb um eine extrinsische Belohnung auf, bei dem die Leistung anderer abgewertet würde, um selbst besser dazustehen.

Ein Faktor, der bewirkt, dass extrinsische Motivatoren so schädlich für den kreativen Output ist, ist die Angst vor Bewertung. Eine Bewertung von außen macht uns abhängig von eben den äußeren Umständen bzw. Kriterien. Und wir haben gelernt, dass wir diejenigen, die unsere Leistung beurteilen, immer im Blick behalten müssen. Das klaut natürlich geistige Energie.

Dies sage ich in meinen Workshops darum immer ganz explizit dazu: die Ideen gehören der Gruppe. Wenn die TeilnehmerInnen in einem Innovationsworkshop anfangen würden, darum zu konkurrieren, wer zuerst welche Produktidee hatte, oder wer welchen Beitrag zur neuen Geschäftsidee geleistet hat, dann kämen wir auf keinen grünen Zweig. Hingegen motiviert es den inneren Entrepreneur in den TeilnehmerInnen, wenn es darum geht, als Gruppe ein spannendes Thema zu durchdringen und in dem Bereich eine Produktidee zu entwickeln.

Äußere Anreize ersticken den inneren Antrieb

Ein viel hinterhältiger Aspekt, der erst mit der Zeit zum Tragen kommt, ist allerdings die Überlagerung der intrinsischen Motivation durch die extrinsische. Konkret heißt das: Wenn wir unseren Spaß an einer Tätigkeit, also die intrinsische Motivation, mit einem extrinsischen Motivator (z.B. Geld) konkurrieren lassen, wird der äußere Faktor über kurz oder lang gewinnen. Unser Gehirn findet eine äußere Begründung rationaler, nachvollziehbarer, und wertet den Einfluss eines inneren Faktors daher ab. Und je länger der extrinsische Anreiz mit dem intrinsischen konkurriert, desto mehr wird letzterer überlagert. Im nächsten Schritt geht unser schlaues Köpfchen leider hin und schlussfolgert, dass der äußere Anreiz der eigentliche Grund für unser Verhalten war. Sobald dann dieser extrinsische Anreiz wegfällt, verschwindet nach dieser Logik der „eigentliche“ Grund für unsere Tätigkeit. Also sehen wir keinen Grund mehr die Tätigkeit auszuüben. Mit einem extrinsischen Motivator wurde die intrinsische Motivation nachhaltig gestört oder ganz eliminiert.

Also zurück zu meiner Anfangsfrage: Kennen Sie noch das Lied „Video Killed the Radio Star“? Die Buggles haben da etwa zeitgleich mit der Motivationsforschung eine spannende Erkenntnis gehabt: Unser Gehirn findet das, was sichtbar ist, wirklich glaubwürdiger. Der Bandname war mir übrigens gänzlich unbekannt, aber der erscheint ja auch nicht im Video…

Menschen möchten erfolgreich kreativ sein

Neben der Nachvollziehbarkeit für unser Gehirn liegt die De-Motivierung vielleicht auch in der Attribution unseres Erfolges begründet. Wenn wir eine Tätigkeit ausführen, deren Ansporn außerhalb unserer Selbst liegt, und sind erfolgreich, so schlussfolgert unser Gehirn, dass der Erfolg auch extern begründet ist. Somit eher durch Zufall zu erklären ist und vielleicht auch nur auf dieses Gebiet oder Thema beschränkt ist. Das kann beim nächsten Mal dann genauso gut schiefgehen.

Die Attributionstheorie von Martin Seligmann (siehe auch Attributionstheorien) geht von drei Dimensionen aus, auf denen wir Situationen bzw. Ereignisse interpretieren. Intern vs. extern (also in uns begründet oder von äußeren Faktoren abhängig), generell vs. spezifisch (d.h. auf andere Situationen anwendbar oder nur auf diesen konkreten Kontext zu beziehen) und stabil vs. variabel (wird immer so sein oder kann sich schnell ändern). Ein gesunder, resilienter Attributionsstil ordnet Erfolge als intern und stabil ein, und neigt dazu, diese Selbstwirksamkeit auch für andere Themen zu erwarten, also zu generalisieren. Ein pessimistischer Attributionsstil (der im Extrem auch über erlernte Hilflosigkeit hin zu Depression führen kann) begründet Erfolg als extern, variabel und situationsspezifisch. Misserfolg hingegen intern, stabil und allgemein.

Wenn unser Gehirn also einen kreativen Erfolg auf äußere Beweggründe zurückführt, erfährt es trotz des Gelingens ein geringeres Gefühl an Selbstwirksamkeit, als bei einer intrinsisch motivierten Idee. Und ein negatives, pessimistisches Attributionsmuster wird aktiviert oder verstärkt. Dies führt zu einer pessimistischeren Grundhaltung gegenüber kreativem Denken, innovativem Arbeiten und neuen Ideen. Wir werden also in Zukunft nicht mehr mit dem gleichen Elan an Ideenfindung arbeiten.

3.    Intrinsisch motivierte Kreativität verstärkt sich selbst

Wir bewegen uns eher außerhalb vorhandener Strukturen, Gebiete, etc. wenn wir spielerisch explorieren dürfen, unsere eigenen Interessen verfolgen dürfen, im wahrsten Sinne neu-gierig sein können. Wir schießen über extrinsische Vorgaben hinaus, weil wir „höhere Ziele“ verfolgen. Weil wir uns nicht an Messlatten orientieren, sondern im Thema sind. Spaß und Humor sind daher in meinen Innovationsworkshops zwei ganz wichtige Faktoren. Manchmal wirken die eingesetzten Kreativitätsmethoden durchaus albern oder sehr verspielt, dies aber mit gutem Grund. Durch Lachen werden Kreativitätshürden abgebaut. (zurück zu „dies hat drei Gründe“)

Wenn wir hingegen aufgrund von erwarteter Bewertung ängstlich oder abgelenkt sind, bewegen wir uns im Sumpf des Status Quo. Einfach weil wir unserem Hirn die falsche Message geben, wo es nach Lösungen suchen soll.3 Wir fokussieren zu sehr auf die Bewertungskriterien und verhalten uns kritischer, skeptischer und sind neuen Gedanken und Ideen gegenüber grundsätzlich negativer eingestellt. Ganz konform mit der pessimistischen Haltung nach der Attributionstheorie. Tatsächlich sind wir auch realistischer. Was aber für Innovationen nicht gut ist. Realität ist eben Mainstream. Vision ist eher Blue Ocean.

Die sich selbst verstärkende Feedbackschleife unseres Verhaltens

Beide Tendenzen, also die intrinsisch motivierte und innovative Haltung genauso wie die extrinsisch motivierte und eher konservative Einstellung, verstärken sich mit der Zeit durch unsere eingebaute Feedbackschleife. Unser Gehirn zieht Rückschlüsse aus unserem Verhalten. Wenn ich mich also mutig, kreativ und optimistisch verhalte, schlussfolgert mein Gehirn, dass mir dieses Verhalten gut tut. Es lernt, dass ich meine Welt aktiv gestalten kann und legt noch eine Schippe drauf. Bin ich eher auf Sicherheit und Bestätigung von außen aus und konzentriere mich auf Fehler und Risiken, verstärkt mein Gehirn diese pessimistische Weltanschauung und klammert sich stärker an schon erprobtes Vorgehen. Wir fühlen uns dabei aber auch der Umwelt eher ausgeliefert und erleben einen gewissen Kontrollverlust.

Auf Kreativität bezogen bedeutet dies in Summe drei Dinge:

  1. Es bedeutet, dass äußere Anreize uns vom kreativ-sein ablenken – wir verschwenden unsere Kapazitäten auf die äußeren Motivatoren und haben dadurch weniger Energie für Ideen und Innovationen. Unser Blickfeld schränkt sich ein und wir konzentrieren uns zu sehr auf bekanntes Terrain. Dies mindert vor allem die Qualität unserer Ideen.
  2. Unser Spaß am kreativen Denken, am spielerischen Umgang mit Problemen, unsere Neugier und Risikofreudigkeit beim Erkunden neuer Lösungen können durch extrinsische Motivatoren reduziert oder sogar ausgeschaltet werden. Dies wirkt sich auf die Quantität und die Qualität des konstruktiven Denkens aus. Wir suchen dann seltener nach kreativen Lösungen, innovativen Ideen oder ungewöhnlichen Herangehensweisen. Und wenn wir es doch tun, werden wir nicht so lange probieren, Ideen zu finden, daher eine geringere Ausbeute haben. Somit haben wir weniger Ideenmaterial zur Verfügung, werden diese zudem nicht so motiviert ausarbeiten und verbessern und landen mit höherer Wahrscheinlichkeit wieder im altbekannten Brackwasser des Mainstreams.
  3. Lösungen zu finden, Leistungen zu erbringen und Erfolg zu haben, ist ein wichtiger Faktor unseres psychischen Wohlbefindens. Wenn wir diese Erfolge aber nun pessimistisch interpretieren (extern begründet, auf diese Situation beschränkt und nicht verlässlich reproduzierbar, siehe Attributionstheorie), dämpft das unseren allgemeinen Optimismus. Es zieht uns quasi runter. Und dies ist ein sich verstärkender Teufelskreis, denn mit einer pessimistischen Brille wird unser Gefühl der Selbstwirksamkeit vermindert, wodurch wir weniger dazu bereit sind, Risiken einzugehen oder Neuland zu betreten. Wir fühlen uns Herausforderungen nicht mehr so gut gewachsen, fühlen uns Problemen ausgeliefert und nähern uns der sogenannten erlernten Hilflosigkeit.

Sicherlich müssen hier noch einige andere Faktoren negativ zusammenspielen – äußere Anreize für kreative Ideen zu geben führt bekanntlich nicht gleich zu Depressionen. Aber der Umgang mit Kreativität im Arbeitskontext, vermehrte externe Anreize für Leistungen und mangelnde Wertschätzung im Job können tatsächlich zu einer giftigen Mischung werden. Dessen sollte man sich zumindest bewusst sein.

Also, was tun?

Um Menschen den nötigen Freiraum zu geben, innovativ zu werden und ihre produktive Kreativität zu entfalten, müssen organisatorische Strukturen schaffen, die diesen Freiraum ermöglichen. Hier ein paar Denkanstöße, wie sich Unternehmen weg vom Effizienz-Antreiber hin zum inspirierenden Freiraum bewegen können.

  1. Mitarbeitern Ziele vorgeben, sie aber den Weg dahin frei wählen lassen. Dafür muss man sie natürlich auch entsprechend befähigen, ergo ihnen vertrauen und sie entsprechend ausbilden.
  2. Fehler begrüßen, solange daraus für die Zukunft gelernt wird. Nur durch genaue Rückmeldungen aus dem Neuland lässt sich eine hilfreiche Landkarte zeichnen (siehe „Fehlerinnovation – wie aus Fehlern Innovationen werden“.)
  3. Kooperationsförderliche Bewertungs- und Entlohnungssysteme anwenden, bei denen es sich auszahlt, Informationen, Ideen und Erfolge zu teilen. Denn ohne Bewertungen in der Arbeitswelt auszukommen gelingt bisher den wenigsten Unternehmen.
  4. Gönnen Sie Ihren MitarbeiterInnen Pausen. Fördern Sie Pausen. Schaffen Sie Räume für Erholungspausen, in denen Mitarbeiter sich vernetzen können, ablenken können, stärken können… Das hilft dem Gehirn und der Kreativität genauso wie dem entspannten Klima bei Ihren MitarbeiterInnen.
  5. Leben Sie eine wertschätzende Grundhaltung vor (Link zu KULTURgut). Konstruktiv, lösungsorientiert und optimistisch. Fördern Sie eine gesunde Innovationskultur (siehe KULTURgut). Jede Idee ist ein Schritt hin zu mehr Innovation. Ob als Sprungbrett-Idee, inkrementelle Verbesserung oder disruptive Innovation. (wieder zum Anfang)

Welche Erfahrungen haben Sie mit Freiraum im Arbeitsalltag gemacht? Was würden Sie sich diesbezüglich in Ihrem Umfeld wünschen? Und, ganz wichtig: welche Themen zu Innovationskultur würden Sie interessieren? Ich freue mich auf Ihre Kommentare und Anregungen.

 


  1. Ich setze hier intrinsischer Motivation für ein Thema  gleich mit „Spaß an einer Sache haben“. Für eine recht breite Definition von „Spaß“, die auch Interesse, Inspiration, Herausforderung, Unterhaltung, Hingabe, Flow und Genuss beinhaltet (und alle Schattierungen dazwischen und daneben). Letztendlich geht’s oft um die Befriedigung von Motiven, die uns antreiben. Natürlich kann eine Ingenieurin auch daran Freude haben, eine Maschine effizienter zu machen. Aber sie wird bessere Ideen haben, wie dies gehen kann, wenn sie aus sich selbst heraus motiviert ist, dies zu tun, und damit z.B. ihrem Wunsch nachgehen kann, sich in ein Thema so zu vertiefen, dass sie es vollständig durchdringt. Oder weil sie mit einer effizienteren Maschine ihrer Vision näherkommt, Menschen das Leben leichter zu machen.
  2. Als Sprungbrett-Ideen bezeichne ich Ideen, die hauptsächlich dazu beitragen, weitere Ideen zu inspirieren. Sie haben oft selbst keinen praktischen Nutzen, weil sie z.B. albern oder unrealistisch sind, aber im kreativen Prozess erfüllen sie eine extrem wichtige Funktion, eben als Sprungbrett. Zudem sind sie auch als Marker für die Stimmung des kreativen Kontextes hilfreich: wenn solche Sprungbrett-Ideen reichlich ausfallen und von allen selbstverständlich als wertstiftend anerkannt werden, stimmt das Klima in der Ideenrunde oder dem Workshop. Wenn darüber wohlwollend gelacht wird, und dann fleißig darauf aufgebaut wird, ist alles im Lot. Wenn potenzielle Sprungbrett-Ideen hingegen kritisch kommentiert werden (was ja eigentlich in einer Ideenfindungs-Phase sowieso nicht passieren sollte) oder schlichtweg ignoriert werden, dann liegt eine Störung im kreativen Gruppenverhalten vor. Dann wird konstruktives Denken blockiert.
  3. Den Abteilungschef oder die Chefin kann man in einem Ideenworkshop also nur gebrauchen, wenn er bzw. sie einen wirklich wertschätzenden Umgang mit den MitarbeiterInnen und Ideen pflegt. Die Ideenkultur muss stimmen.